„Willkommen“ ist das schönste deutsche Wort, das einem bei der Ankunft in einem neuen Land zu Ohren oder Augen kommen kann. Umso mehr freuten sich die Schülerinnen und Schüler des Friedrich-List-Gymnasiums, als ihnen dieses Wort auf bunten Plakaten entgegenleuchtete – und zwar am Flughafen der kosovarischen Hauptstadt Pristina, hochgehalten von ihren Austauschpartnern.
Bereits zum elften Mal führt das FLG einen Schüleraustausch mit dem Loyola-Gymnasium in Prizren (Kosovo) durch. Für den ersten Teil des diesjährigen Austauschs reisten 17 Schülerinnen und Schüler mit drei Lehrkräften für eine Woche in den Balkanstaat und tauchten in Gastfamilien in die vielseitige Kultur des Landes ein. Bei Unterrichtsbesuchen erfuhren die Schüler dabei, dass z.B. die Mathematik keinen Unterschied zwischen Deutsch und Albanisch – der Landessprache des Kosovo – macht.
Fernab des Unterrichts stand derweil vor allem das „Fach“ Deutsch auf dem Programm: Die Neuntklässler aus Gemünden verständigten sich mit ihren kosovarischen Austauschpartnern nämlich zumeist auf Deutsch, weil die Sprache im Kosovo und vor allem am Loyola-Gymnasium eine große Rolle spielt. Gute Fremdsprachenkenntnisse sind hier immer auch mit der Hoffnung verbunden, später einmal im Ausland Karriere machen zu können.
Auswanderung als Fluch und Segen für das Land
Die Problematik, dass die Hoffnung der jüngeren Generation auf ein besseres Leben oftmals nicht im Kosovo verortet ist, hat Regisseur Samir Karahoda in zwei Kurzfilmen verarbeitet. Nach der Vorstellung dieser preisgekrönten Filme in einem Dokumentar-Kino hatten die Teilnehmenden die Chance, mit dem mehrfach ausgezeichneten Filmemacher selbst ins Gespräch zu kommen. Dabei stellte sich heraus, dass der Gang ins Ausland vieler hochqualifizierter Menschen für den Kosovo Fluch und Segen zugleich ist: Auf der einen Seite winkt vielen Menschen wirtschaftliche Unterstützung durch ihre ausgewanderten Familienmitglieder – auf der anderen Seite verwaisen unzählige Häuser, die einst in der Hoffnung errichtet worden waren, dass die verlorenen Söhne und Töchter eines Tages auch im eigenen Land eine bessere berufliche Perspektive finden können.
Besonders betrübend sind diese Beobachtungen, wenn man sieht, wie viel das Land eigentlich zu bieten hat – genauso wie die Schülerinnen und Schüler des Loyola-Gymnasiums: Am großen „Tag der offenen Tür“, mit dem das 18-jährige Bestehen der Schule gefeiert wurde, begeisterten Schüler aller Jahrgangsstufen die zahlreich geladenen Gäste aus dem Bildungswesen, der Wirtschaft und der Politik mit einem eindrucksvollen Programm, in welchem traditionelle und moderne Künste miteinander verwoben wurden.
Holzofen statt Heizung: Natur-Erlebnis in der Rugova-Schlucht
Zum Abschluss der Woche begab sich die deutsch-kosovarische Reisegruppe in die Rugova-Schlucht, die mit atemberaubenden Schluchten und Wasserfällen aufwartete. Nach einer Wanderung durch die Natur übernachteten die Teilnehmer in Berghütten, die mit kleinen Holzöfen selbst beheizt werden mussten: eine Erfahrung der besonderen Art für die Jugendlichen beider Länder, die den Zusammenhalt in der Reisegruppe noch weiter stärkte.
Das Feedback aller Beteiligten fiel am Ende äußerst positiv aus – nach drei Jahren der coronabedingten Pause des Kosovo-Programms war allen Teilnehmern die Lust am interkulturellen Austausch anzumerken. Auch die Vorfreude auf den einwöchigen Rückbesuch der Kosovaren in Gemünden, der Mitte Juni stattfinden wird, ist auf beiden Seiten bereits groß.