Lange war der Termin wegen Corona mit einem großen Fragezeichen versehen. Doch am 10. Juni war es soweit: Konstantin Wecker kam zu Besuch ans Gemündener Friedrich-List-Gymnasium. Bereits 2005 hatte er die Patenschaft für das FLG als „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ übernommen.
Im Mittelpunkt seines Besuchs stand ein Treffen mit KRASS, dem „Klub Rassismus ablehnender Schülerschaft“. Wecker erzählte dem jungen Publikum nicht nur von seiner eigenen Schulzeit – etwa, dass seine Lehrer damals alle Faschisten gewesen seien; er warnte die Jugendlichen gerade auch vor den Mythen der Neuzeit, die durch gezielte Fake News und Bewegungen wie Querdenker und QAnon forciert würden und zum Erstarken faschistischer Parteien in ganz Europa beitrügen. „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“ lautete Weckers leidenschaftliches Plädoyer.
Lobende Worte fand er für die aktive Auseinandersetzung der Schüler*innen mit dem Holocaust. Immer wieder hatte KRASS in den vergangenen Jahren die in Gemünden verlegten Stolpersteine gereinigt, Mitschüler*innen an die Vorfälle in der Pogromnacht erinnert und zuletzt einen Rucksack aus Beton für den lokalen Gedenkort gestiftet. „Ich finde die Erinnerungskultur so unglaublich wichtig“, betonte Wecker. Man müsse sich immer wieder bewusst machen, was passieren kann. Wir alle stünden in der Verantwortung, dass Faschismus nie wieder entstehen könne.
Selbstkritisch ergänzte Wecker, dass ein latenter Faschismus vermutlich in uns allen wohne. So war er für den Dreh des Films „Wunderkinder“ einst in die Rolle eines Obersturmbannführers geschlüpft und habe gemerkt, dass allein das Tragen der stolzen Uniform aus ihm etwas herausgelockt habe, was auch in ihm war. Er erinnerte ferner an Sophie Scholl, die 1934 noch dem Bund Deutscher Mädel beigetreten war, ehe sie zur bekannten Widerstandskämpferin wurde. „Alles wohnt in uns“ bilanzierte Wecker; wir müssten folglich aufpassen, dass es nicht rauskommt. In diesem Zusammenhang motivierte Wecker seine jungen Gesprächspartner*innen auch zum Schreiben eines Tagebuches. Im Schreiben entdecke man sich selbst. So ein Tagebuch sei ein „Wunderwerk an Selbsterkenntnis“.
Große Anerkennung erntete Wecker für seine Texte, sei es als er am Piano das Lied „Sage nein!“ anstimmte oder – vor dem Hintergrund der europäischen Flüchtlingspolitik – sein Gedicht „Schäm dich Europa!“ rezitierte. Auch zukünftig möchte er in Kontakt mit seinen Patenkindern am FLG bleiben, sie mal zu einem seiner Konzerte in der Region einladen oder – auch das nicht ausgeschlossen – wieder mal live am FLG auftreten.
Christiane Gaebert, Kunstlehrerin am FLG, hat mehrere Portraits des Künstlers angefertigt, die Wecker am FLG persönlich signierte. Wer solch ein individuelles Kunstwerk erstehen möchte, kann gerne via Mail eine entsprechende Anfrage an die Schule richten. Der Erlös soll u.a. in die Erinnerungsarbeit der KRASS-Gruppe fließen.
Jürgen Endres